Konkretisierungspflicht nach AÜG: Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen?

Kategorie: Rechtliche Aspekte

Die Konkretisierungspflicht gehört zu den zentralen rechtlichen Vorgaben bei der Arbeitnehmerüberlassung. Wer gegen diese Pflicht verstößt, riskiert gravierende rechtliche und wirtschaftliche Folgen bis hin zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Doch was genau bedeutet „Konkretisierungspflicht“? Wann liegt ein Verstoß vor? Und welche Konsequenzen hat das in der Praxis? Dieser Beitrag gibt Ihnen einen fundierten Überblick.

Puzzleteil mit Text zur Zeitarbeit

Was bedeutet die Konkretisierungspflicht?

Bevor auf die Folgen eines Verstoßes eingegangen wird, ist es wichtig zu verstehen, worum es bei der Konkretisierung geht. Die Konkretisierungspflicht ist gesetzlich in § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG geregelt und wird durch die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit näher ausgeführt. Sie besagt:

„Die Überlassung muss sich auf einen konkret bezeichneten Leiharbeitnehmer beziehen.“

Das bedeutet in der Praxis:

  • Vor dem Einsatz bei einem Entleiher muss klar dokumentiert sein, welche konkrete Person (Name, ggf. Personalnummer) überlassen wird.
  • Dies muss vor dem ersten Arbeitstag beim Entleiher schriftlich festgelegt werden.
  • Eine allgemeine Vereinbarung wie „wir stellen Ihnen bei Bedarf Personal zur Verfügung“ genügt nicht.

Beispiel:

Ein Zeitarbeitsunternehmen schließt mit einem Industriebetrieb einen Rahmenvertrag, in dem lediglich vereinbart wird, dass bei Bedarf Schlosser überlassen werden. Wird dann am Montagmorgen ein Schlosser zum Einsatz geschickt, ohne dass vorher schriftlich festgehalten wurde, wer genau das ist, liegt ein Verstoß gegen die Konkretisierungspflicht vor.

Wann liegt ein Verstoß gegen die Konkretisierungspflicht vor?

Ein Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn:

  • keine namentliche Nennung des Leiharbeitnehmers im Überlassungsvertrag erfolgt ist,
  • der Einsatz bereits begonnen hat, bevor die Konkretisierung schriftlich dokumentiert wurde,
  • die Konkretisierung nachträglich erfolgt oder
  • mehrere Arbeitnehmer ohne eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Einsatz „auf Vorrat“ überlassen werden.

Auch dann, wenn ein Arbeitnehmer kurzfristig ersetzt wird und die neue Person nicht erneut konkret benannt wird, liegt ein Verstoß vor. Es wird ausdrücklich betont, dass die Konkretisierungspflicht auch bei kurzfristigen Einsätzen (z. B. ein Tag oder wenige Stunden) in vollem Umfang gilt.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß?

Die Rechtsfolgen sind erheblich und im Gesetz klar geregelt:

1. Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung

Ein Verstoß gegen die Konkretisierungspflicht ohne, dass der Vertrag als “Arbeitnehmerüberlassung” betitelt ist, führt zur Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung. Das bedeutet:

Ein Arbeitsverhältnis kommt automatisch zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher zustande.

Dieses sogenannte fingierte Arbeitsverhältnis entsteht, ohne dass es eines Vertrags bedarf. Es gilt rückwirkend ab dem ersten Tag des Einsatzes.

Der Leiharbeitnehmer wird so behandelt, als hätte er von Beginn an direkt beim Entleiher gearbeitet – mit allen rechtlichen Folgen (z.B. Lohn- und Sozialversicherungsnachzahlungen).  Anders ist das nur bei internationaler Überlassung.

2. Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers

Um diesem automatischen Übergang entgegenzuwirken, kann der Leiharbeitnehmer eine Festhaltenserklärung abgeben. Damit erklärt er, dass er am Vertragsverhältnis mit dem Verleiher festhalten möchte. Voraussetzung dafür ist, dass der Leiharbeitnehmer diese persönlich in eine Agentur für Arbeit in kurzer Frist vorlegt.

Achtung: Auch wenn der Arbeitnehmer am ursprünglichen Vertragsverhältnis festhält, bleibt der Verstoß bestehen. Die Erklärung hat nur arbeitsrechtliche Wirkung – verwaltungsrechtliche Folgen (z. B. Bußgelder) bleiben bestehen.

Rechtsberatung zur Arbeitnehmerüberlassung

Professionelle Begleitung bei Antrag, Verlängerung und rechtlichen Fragestellungen rund um die Arbeitnehmerüberlassung.

Welche Sanktionen drohen dem Verleiher?

Ein Verstoß gegen die Konkretisierungspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 16 AÜG dar. Die Bundesagentur für Arbeit kann hierfür Bußgelder von bis zu 30.000 Euro verhängen.

Zusätzlich kann die Behörde erlaubnisrechtliche Maßnahmen einleiten, etwa:

  • Verwarnungen,
  • Auflagen,
  • Widerruf oder Nichtverlängerung der Überlassungserlaubnis.

Dies gilt auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer eine Festhaltenserklärung abgegeben hat.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Für Verleiher und Entleiher ist höchste Sorgfalt erforderlich. Verstöße gegen die Konkretisierungspflicht sind keine Bagatellen, sondern werden von den Aufsichtsbehörden konsequent verfolgt.

Praktische Maßnahmen:

  • Für jeden Einsatz eine schriftliche Konkretisierung (z. B. Zusatzvereinbarung zum Rahmenvertrag) mit Name, Geburtsdatum, Einsatzort und Datum.
  • Kein Arbeitsbeginn ohne vorherige Dokumentation!
  • Schulung der Disponenten und Projektleiter zur Bedeutung der Konkretisierungspflicht.

Bestenfalls ziehen Sie einen auf die Arbeitnehmerüberlassung spezialisierten Anwalt hinzu.

Fazit: Klare Zuordnung schützt vor rechtlichen Risiken

Die Konkretisierungspflicht ist ein zentrales Element der rechtssicheren Arbeitnehmerüberlassung. Verstöße führen nicht nur zu einer möglichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher, sondern auch zu empfindlichen Sanktionen für den Verleiher. Unternehmen, sowohl Verleiher als auch Entleiher, sollten ihre Prozesse entsprechend überprüfen und anpassen.

Tipp für Unternehmen: 

Lassen Sie Ihre Arbeitnehmerüberlassungsverträge regelmäßig von einem spezialisierten Fachanwalt prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Konkretisierungspflicht. So vermeiden Sie Bußgelder, Statusverlust Ihrer Erlaubnis und unerwünschte arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Sie sind unsicher bei der Umsetzung der Konkretisierungspflicht?

Ich unterstütze Sie bei der rechtssicheren Gestaltung Ihrer Verträge und Prozesse – kompetent, praxisnah und mit aktuellem Branchenwissen. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Ihre Arbeitnehmerüberlassung rechtlich auf sicheren Füßen steht.

Hier finden Sie meine Kontaktdaten: